PROJEKTZIEL
Ziel des Projektes ist die Einrichtung und den Aufbau einer Institution, die im Ostkongo mit einer Reihe von lokalen zivilgesellschaftlichen Tribunalen die Massen- und Wirtschaftsverbrechen in der Region aufarbeitet. Die Arbeitsgruppe (Vorsitz, Untersuchungsleiter, Jury) besteht aus kongolesischen und internationalen Juristen, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten. Das Verfahren orientiert sich an den Russeltribunalen über die Kriegsverbrechen der US-Regierung in Vietnam und der internationalen Rechtssprechung und bezieht sich auf die kongolesische Verfassung und die von der Demokratischen Republik Kongo anerkannten internationalen Abkommen. Die Tribunale sollen den Opfern des Bürgerkriegs ermöglichen, öffentlich zu sprechen, um Zeugnis abzulegen von ihren Erfahrungen, die Dokumentation und die Beweise für die begangenen Straftaten zu ergänzen und Hinweise zu den Verantwortlichkeiten zu liefern.
HINTERGRUND
Der Bürgerkrieg im Kongo hat bis heute über sechs Millionen Opfer gefordert. Ein 2009 von einer UN-Kommission publizierter Bericht (der sogenannte „Mapping Report“) hält zwischen 1993 und 2003 über 600 schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit fest. Insbesondere im Osten des Landes (in den Provinzen Nord- und Südkivu) dauert der Krieg bis heute an. Alleine in der Stadt Beni starben seit 2014 infolge einer Reihe von Massakern fast tausend Menschen. Der Grossteil dieser Verbrechen bleibt bis heute ungeahndet, da der kongolesische Staat nicht in der Lage ist, entsprechende Institutionen zu schaffen und auf internationaler Ebene der politische Wille fehlt, ein internationales Strafgericht für die Demokratische Republik Kongo einzurichten. Die vorherrschende Straflosigkeit gilt als eine der wesentlichen Ursachen für das Fortbestehen des Bürgerkriegs. Der Konflikt wird verschärft durch lokale und globale ökonomische und geostrategische Interessen in Bezug auf die Bodenschätze der Region, die einer der wichtigsten Lieferanten von Coltan, Zinn, Kupfer, Kobalt, Mangan und weiteren für die westlichen Industrien und ihrer technologischen Entwicklung zentrale Rohstoffe.
2015 ließ der Regisseur Milo Rau in einem symbolischen Theatertribunal drei exemplarische Fälle aus diesem Konflikt erstmals vor einer unabhängigen Jury verhandeln. Dabei gelang das scheinbar Unmögliche: Beteiligte aus allen Lagern – Regierung, Opposition, Militär, Rebellen, Vertreter internationaler Minenkonzerne, lokale Minenarbeiter, Bauern, Opfer, Täter, Menschenrechtsaktivisten und Globalisierungsexperten – wurden involviert und konnten zu Zeugenaussagen in dem öffentlich abgehaltenen Tribunal bewegt werden. Der Erfolg dieser symbolischen Verhandlungen war durchschlagend, weil erstmals in zwei Jahrzehnten ein geschützter öffentlicher Raum geschaffen wurde, in dem die Opfer von Vertreibung, Enteignung, Vergewaltigung und Mord, von Massakern, Schlägen, Verletzungen und Plünderungen ihre Anliegen und Anklagen vorbringen konnten und von den regionalen und nationalen Regierungen sowie von einem lokalen und internationalen Publikum angehört wurden.
SCHAFFEN WIR ZWEI, DREI, VIELE KONGO TRIBUNALE!
Seit dem ersten Kongo Tribunal fordern die Opfer von Massenverbrechen und die Zivilgesellschaft in den Provinzen Nord- und Südkivu weiterhin Gerechtigkeit und ein unabhängiges und unparteiisches Gericht, das in der Lage ist, die Regeln und Grundsätze des Rechts auf ein faires Verfahren anzuwenden. 2018 wollen die international renommierten Juristen Jean-Louis Gilissen, Strafverteidiger und Opfervertreter beim Internationalen Strafgerichtshof, und Sylvestre Bisimwa, kongolesischer Menschenrechtsanwalt, eine Form kontinuierlicher zivilgesellschaftlicher juristischer Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen auf lokaler Ebene etablieren, um das Plädoyer gegen die Straflosigkeit und für die Einrichtung eines besonderen Strafgerichtshofs für die Demokratische Republik Kongo auf nationaler und internationaler Ebene zu intensivieren.
Mehrere lokale Tribunale (geplant sind zunächst fünf) werden an verschiedenen Schauplätzen von vergangenen Massen- und Wirtschaftsverbrechen im Ostkongo eingerichtet, um glaubwürdige Beweise für die Verbrechen zu sammeln und eine Anklage gegen die Täter zu fordern. Gilissen und Bisimwa werden dabei unterstützt von einer Reihe von nationalen und internationalen Anwälten sowie von Politikern, Journalisten und Künstlern. Mit dieser Initiative weisen wir die kongolesischen Behörden kontinuierlich auf die Notwendigkeit hin, die Straflosigkeit in der Region weiterhin zu bekämpfen und die Täter von Massen- und Wirtschaftsverbrechen strafrechtlich zu verfolgen. Zudem schaffen die Tribunale weitere Räume, wo die Opfer des Bürgerkriegs im Ostkongo eine Stimme erhalten und die Wahrheit über vergangene Verbrechen gehört werden kann.
10 Screenings und Workshops des Dokumentarfilms „Das Kongo Tribunal“ (2017) zur Sensibilisierung der Bevölkerung
In einem ersten Schritt wird der Dokumentarfilm zum ersten Kongo Tribunal an 10 Orten in den Provinzen Süd- und Nordkivu aufgeführt, um die Bevölkerung zu informieren, an der juristischen Aufarbeitung interessierte Menschen und Organisationen zu identifizieren und sie über diese Form der symbolischen Rechtsprechung aufzuklären.
500 Leitfäden für Betroffene
Um Zeugen, Opfer und Täter auf ihre Aussage vorzubereiten, wird ausführliches Informationsmaterial benötigt, das sie eingehend über die Modalitäten und die Risiken einer Aussage aufklärt. Dazu soll auch der Film „Das Kongo Tribunal“ eingesetzt werden. DVDs und Broschüren müssen hergestellt und in lokale Sprachen wie Suaheli oder Mashi übersetzt werden.
Anhörungen im Rahmen von fünf lokalen, zivilgesellschaftlichen Tribunalen
An fünf der zehn eingeführten Orte im Süd- und im Nordkivu werden schließlich Tribunalverhandlungen stattfinden. Zu jeder dieser Verhandlungen gibt es vor Ort ausführliche Anhörungen aller beteiligten Konfliktparteien.
Teilnahme von 6-8 internationalen Juristen
Die Befragungen der Zeugen werden von 3-4 afrikanischen Juristen geführt, die von 3-4 hochrangigen Juristen aus Europa bzw. Nordamerika unterstützt werden.
20 unabhängige Teilnehmer und Beobachter
Die Jury der Tribunale wird durch eine Reihe von unabhängigen nationalen und internationalen Menschenrechtsexperten, Journalisten, Wissenschaftlern und Politikern besetzt. Ihre Aufgabe ist es zum Abschluss der Anhörungen Beobachtungen, Analysen und Empfehlungen zu formulieren.
Dolmetscher für fünf Tribunale
Die Vernehmungen, Aussagen und Ergebnisse während der 5 Tribunale werden aus den Landessprachen Suaheli und Lingala ins Englische, Französische und Deutsche übertragen und die Aussagen der Experten zurück in die Landessprachen.
Psychologische und ärztliche Unterstützung vor Ort
Während der Tribunale und der Filmvorführungen sind ein Psychologe und ein Arzt vor Ort notwendig, um teilnehmende Betroffene und die Zuschauer sachgerecht seelsorgerisch und medizinisch zu betreuen.
Personal und Bewachung der 15 Veranstaltungen
Für die Organisation, Durchführung und Sicherung der 5 Tribunale und 10 Filmvorführungen wird unabhängiges Personal vor Ort benötigt. Die Zeugenschutzprogramm und die Sicherung vor Ort soll durch die kongolesische Polizei und die MONUSCO unterstützt werden.
Filmische Dokumentation und Online-Archiv in fünf Sprachen
Die Nachhaltigkeit des Projekts wird dadurch gesichert, dass die Aussagen und Ergebnisse der Tribunale gefilmt und weltweit öffentlich zugänglich gemacht werden. Dazu wird eine Website und Online-Dokumentation in fünf Sprachen notwendig: Englisch, Französisch, Deutsch, Suaheli und Lingala.
Ansprechpartner/Projektmanager vor Ort
Ein Ansprechpartner und Koordinator vor Ort ist dauerhaft erreichbar für Organisationsfragen der Tribunale und Filmscreenings sowie zur Organisation/Kommunikation zwischen dem Kongo und dem Projektbüro in Köln.
Werbung für Tribunale, Screenings und einen begleitenden Spendenaufruf
Für eine zusätzliche Spendenkampagne, aber auch für die Bewerbung der Tribunale und Screenings vor Ort ist eine Kampagne in der Presse und in den Social-Media-Kanälen notwendig.